Traumatische Lebenserfahrungen, insbesondere, wenn diese nicht verarbeitet werden können, stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Entwicklung psychischer, somatischer und psychosomatischer Erkrankungen, so auch mit Suchterkrankungen.
Vor allem interpersonale Gewalterfahrungen in der Kindheit und Jugend werden als ein wesentlicher Risikofaktor für die Entwicklung einer Suchterkrankung angesehen. Für Kinder stellen Gewalterfahrungen, die von nahestehenden Menschen wie den Eltern ausgehen, einen unlösbaren Konflikt dar. Die Menschen, die den Kindern Schutz, Sicherheit und Hilfe geben sollten, fügen ihnen Schmerz und Leid zu. Diese Erfahrungen wirken unmittelbar auf die Entwicklung des Bindungsverhaltens eines Kindes ein und können zu einer Bindungsstörung mit weitreichenden, lebenslangen Folgen führen.
Die Bewältigung traumatischer Erfahrungen hat zudem einen Bezug zur Geschlechtsidentität der Betroffenen: So, wie diese auch das Erleben des Traumas beeinflusst, nimmt sie weiterhin Einfluss auf die Entwicklung möglicher Bewältigungsstrategien.
Die langjährigen Erfahrungen der Frauensuchtarbeit in Deutschland sowie der gendersensiblen Arbeit in ambulanten und stationären Einrichtungen der Suchthilfe in NRW zeigen deutlich auf, dass biografische traumatische Erfahrungen und die Entwicklung einer Suchterkrankung häufig in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Gleichermaßen wurde in der Praxis deutlich und in der Forschung belegt, dass eine traumasensible Behandlung ebenfalls eine gendersensible Ausrichtung und Haltung erforderlich macht.
Die Grundhaltung, eine konstruktive Arbeitsbeziehung mit substanzkonsumierenden Frauen aufzubauen, wird durch eine vorliegende Bindungsstörung der Betroffenen erschwert Beratende, begleitende und therapeutische Hilfen benötigen eine hohe Sensibilität der professionell Tätigen im Prozess der Diagnostik und Intervention, die sowohl trauma-, bindungs- als auch geschlechtssensibel orientiert sein muss.
In NRW sowie in Deutschland insgesamt ist eine trauma- und gendersensible Ausrichtung weder in der ambulanten noch in der stationären Suchthilfe selbstverständlich – trotz aller heute vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und nachdrücklichen Praxiserfahrungen.
Die Komplexität jedes einzelnen der hier im Fokus stehenden Themen Trauma, Gewalt, Bindung, Geschlecht macht eine umfassende Auseinandersetzung und Qualifizierung der Mitarbeitenden der Suchthilfe erforderlich.
Möglichkeiten der Qualifizierung werden in der Praxis häufig nicht zur Verfügung gestellt – es fehlen zeitliche und finanzielle Ressourcen. Wesentlich dafür ist jedoch die Haltung der Träger und Einrichtungen in Bezug auf die Förderung einer qualifizierten, trauma- und geschlechtersensiblen Suchthilfe.
Die Landesfachstelle Frauen und Familie, BELLA DONNA, bietet regelmäßig Fortbildungen zu den Themen: Trauma und Sucht, Traumapädagogik etc. an.
Quellenangaben:
Teunissen, Sybille; Voigt, Wibke: Sucht und Traumafolgestörungen bei Frauen. In: Tödte, Martina; Bernard, Christiane (Hrsg.) (2016) Frauensuchtarbeit in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme; transcript Verlag, Bielefeld 2016, S. 141 ff.
Gahleitner, Silke Birgitta: Trauma und Bindungsstörungen bei Frauen. Ebenda, S. 125 ff.
Grossmann, Karin, Grossmann, Klaus E. (2004): Bindungen. Das Gefüge psychischer Sicherheit; Klett-Cotta, Stuttgart