Das Suchthilfesystem in NRW zeichnen sich aus durch:
- Eine hohe Komplexität diverser Leistungen/ Maßnahmen
- Verschiedene Anbieter dieser Leistungen/ Maßnahmen, die zielgruppenspezifisch an unterschiedlichen Bedarfen orientiert Unterstützung bieten
- Eine Vielfalt (und schwer überschaubare) an Finanzierungsquellen durch unterschiedliche Leistungsträger
Das Suchthilfesystem gliedern sich wie folgt:
Grundlegend gliedert sich das Suchthilfesystem in zahlreiche Maßnahmen für suchtkranke Menschen, an denen sich auch die Zuständigkeit der Leistungsträger und damit verbundene Finanzierungsmodelle orientieren. Zum einen gliedert sich das System in präventive Maßnahmen, welche die allgemeine Gesundheitsversorgung abdecken und durch zahlreiche Leistungsträger finanziert werden.
Zum anderen weisen Maßnahmen der Suchthilfe den überwiegenden Anteil an Angeboten auf, die in der sogenannten Kontakt- und Motivationsphase, eine Schadensminimierung zum Ziel haben und differenzierte, spezialisierte Behandlungen wie Entzugs- und Entwöhnungsphasen beinhalten. Die Palette der Leistungsträger ist umfassend und teilweise werden einzelne Maßnahmen gleichzeitig durch unterschiedliche Quellen, vielfach jedoch auch durch klare Zuständigkeiten der Sozialgesetzbücher versorgt. Die Suchtselbsthilfe als Teil der Integrations- und Nachsorgeangebote wird ebenfalls durch unterschiedliche Leistungsträger unterstützt. Hier stellt die Suchtselbsthilfe in NRW eine Ausnahme in ihrer Struktur dar, da sie durch den FAS NRW (Fachausschuss Suchtselbsthilfe NRW) verbandlich organisiert ist. Neben der verbandlichen Organisation gibt es ebenfalls freie Selbsthilfegruppen. Diese beziehen verschiedene finanzielle Mittel. Eine ausführlichere Gliederung einzelner Maßnahmen des Suchthilfesystems wird bei den Themen Suchtprävention und Suchtselbsthilfe aufgeführt.
Ambulante und stationäre Suchthilfe
Die ambulante und die stationäre Suchthilfe stellen wichtige Basiselemente in den Hilfestrukturen in NRW dar:
Grundsätzlich lassen sich die Maßnahmen und Angebote für Menschen mit einer Suchterkrankung in der Suchthilfe in drei wesentliche Strukturen einteilen:
Kontakt und Beratung
- Sucht- und Drogenberatungsstelle /Ärzte*innen
- Diagnostik, Beratung, Motivation
(Entgiftung als Bindeglied zwischen Kontakt, Beratung und Behandlung)
Behandlung
- Stationäre Entwöhnung (Fachklinik)
- Ambulante Entwöhnung (Behandlungsstelle, Fachambulanz)
Nachsorge
- Selbsthilfe
- Betreutes Wohnen und Arbeiten
- Ambulante Gruppen- und Einzelberatung in ambulanten Beratungsstellen und Fachambulanzen
Die Versorgungsstrukturen für Menschen mit Suchtproblemen fächern sich in verschiedene Teile, die sich überwiegend an Finanzierungsstrukturen und sozialrechtlichen Rahmenbedingungen orientieren. Die Maßnahmen der Suchtprävention, Suchthilfe und Suchtselbsthilfe können jedoch nicht durchgängig den einzelnen Sozialgesetzbüchern zugeordnet werden, weil zum einen einzelne Leistungsbereiche auf unterschiedlichen normativen Vorgaben basieren (bspw. medizinische Rehabilitation der Rentenversicherung im SGB VI und der Krankenversicherung im SGB V), und weil zum anderen einige Leistungsbereiche gar keine Verankerung in Sozialgesetzbüchern haben (bspw. Suchtberatung und betriebliche Suchtarbeit). Die Angebotspalette ist groß, die Leistungserbringer und rechtliche Grundlagen sind komplex.
Die Maßnahmen der Suchthilfe weisen ein großes Spektrum auf, so dass ein rundum erschlossenes Versorgungssystem für die Menschen mit Suchterkrankungen sichergestellt werden kann. Einzelne Maßnahmen der Suchthilfe werden exemplarisch in folgender Grafik dargestellt:
Maßnahmen, rechtliche Grundlagen und Leistungserbringer
Unter Beratung und Begleitung werden niedrigschwellige Hilfen, Suchtberatung und Begleitung, Gesundheits- und Sozialhilfe und psychosoziale Betreuung Substituierter (PSB) erfasst. Die Finanzierung der Angebote sind freiwillige Leistungen der Kommunen und Länder im Sinne der kommunalen Daseinsvorsorge, refinanzierte Leistungsangebote sowie Eigenmittel der Leistungsanbieter. Auch sind unter den Angeboten spezifische Hilfeangebote, wie bspw. MPU-Vorbereitungen zu finden, die nach StVG §§ 2a und 4 eine rechtliche Grundlage haben.
Die Medizinische Behandlung umfasst zum einen die ambulante medizinische Versorgung, wie bspw. Suchtbezogene Frühinterventionen, oft im Rahmen der Behandlung von Komplikationen einer Sucht, bei Sucht als Zufalls-/Nebenbefund. Bei der Behandlung von Begleit- und Folgekrankheiten einer Sucht (rechtliche Grundlagen: SGB V, GB-A/BMG), die medikamentöse Rückfallprophylaxe (mit z.B. Nalmefen, Baclofen, etc. im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans (SGB V, GB-A/BMG), Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans (mit überwiegend Methadon, Levomethadon, Buprenorphin und Originalsubstanzgabe Diamorphin). Die rechtlichen Grundlagen sind hier das SGB V, G-BA/BMG, BTmVV (neu). Ebenso umfasst die medizinische Behandlung die Tabakentwöhnung (rechtliche Grundlage: Teilweise SGB V und Selbstzahler). Spezielle Angebote in Praxen der Kinder- und Jugendärztlichen Versorgung sowie der Versorgung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie sind Teile der Behandlung (SGB V, GB-A/BMG). Die ambulante psychotherapeutische Versorgung als wichtiger Teil der medizinischen Behandlung ist im SGB V §§ 118, 120, PsychPV, PEPP/PsychWG verankert. Die rechtliche Grundlage der psychiatrisch/psychotherapeutischen Behandlung in psychiatrischen Krankenhäusern und Abteilungen (PEPP) sind im SGB V, PsychPV, PEPP/PsychWG zu finden.
Spezifische Angebote von Hilfen für Menschen mit Suchtproblemen stellen die Entgiftungs-/Entzugsbehandlung dar, die im Allgemeinkrankenhaus (DRG) über die gesetzliche Krankenkassenleistung finanziert wird. Die rechtliche Grundlage des qualifizierten Entzugs ist im SGB V, DRG angeordnet. Die medizinischen Maßnahmen für Menschen mit Suchterkrankungen sind zahlreich, so stellt auch die Psychotherapeutisch/psychosomatische Behandlung in Allgemein- und Fachkrankenhäusern mit der Rechtsgrundlage des SGB V eine Behandlung sicher.
Die Angebote der medizinischen Rehabilitation werden in eine stationäre und eine ganztägig ambulante Rehabilitation unterteilt. Die Angebote des Gesundheits- und Sozialwesens im weiteren Sinne stellen die Ambulante medizinische Rehabilitation, die Adaption und Nachsorge sicher (Rechtsgrundlagen und Finanzierungen gem. SGB IX, SGB VI, SGB V, SGB XII, Rahmenkonzepte, Vereinbarungen, QS DRV/GKV).
Weitere Bausteine der Suchthilfe stellen Beschäftigung, Qualifizierung und Teilhabe am Arbeitsleben, wie die Beratung zur Eingliederung in Arbeit suchtkranker Menschen gem. § 16a SGB II Nr. 4 Suchtberatung/kommunale Leistung, sowie die berufliche Rehabilitation und Teilhabe am Arbeitsleben gem. SGB III, SGB VI und SGB IX in Verbindung mit SGB XII. Auch die Justiz stellt ein unterstützendes Suchthilfeangebot sicher.
Vernetzung
Die Arbeit der Suchthilfe hat sich im Laufe der Zeit verändert: Zu beobachten sind z.B. eine Verdichtung der Arbeitsprozesse, es wurden mehr Beratungen mit weniger Personal durchgeführt, es kam vermehrt zu Wartezeiten, aufsuchende Angebote wurden reduziert. Zwar wurden neue Kooperationen angestoßen, insgesamt hat sich jedoch nur in wenigen Bereichen der Ausbau von Netzwerken verstärkt.
Die Suchthilfe sollte angesichts wachsender Themenvielfalt und neuer Zielgruppen in ihren jeweiligen Settings noch passgenauer werden. Für eine solch bedarfsgerechte und ausdifferenzierte Suchthilfe sind jedoch Kooperation und Vernetzung wesentlich. Landesweit sind die Schnittstellen der mit Suchtfragen berührten Systeme nahtloser als bisher zu gestalten. Netzwerkartige und verbindliche Kooperationen zwischen den verschiedenen Hilfesystemen, aber auch innerhalb des Suchthilfesystems sowie differenzierte Suchthilfeangebote in den Lebensräumen der Betroffenen sind notwendig. Dabei kommt der kommunalen Suchthilfeplanung, nicht zuletzt auch in Hinblick auf die Etablierung fachübergreifender Abstimmungsprozesse, eine besondere Bedeutung zu.
Landessuchthilfestatistik
Die rund 180 Einrichtungen der ambulanten Suchthilfe in Nordrhein-Westfalen erheben einrichtungs- und klienten- bzw. fallbezogene Daten, welche jährlich in einer Datenbank zusammengeführt, aufbereitet und ausgewertet werden.
Alle Daten werden in einem in regelmäßigen Abständen erstellten Monitoringbericht zusammengefasst und ausgewertet. Der Monitoringbericht beschreibt Stand und Entwicklung der Arbeit der Sucht- und Drogenberatungsstellen in NRW und soll zu einer vertiefenden Analyse anregen. Er bietet damit eine Grundlage für die Weiterentwicklung der Suchthilfeangebote in NRW. Der Bericht kann bei der Geschäftsstelle der Suchtkooperation NRW bestellt werden.
Darüber hinaus erhalten die Einrichtungen eine einrichtungsbezogene Auswertung ihrer Daten und die 53 kreisfreien Städte und Kreise in NRW eine kommunenbezogene Auswertung der von den jeweiligen Einrichtungsträgern erhobenen Daten.
Die Geschäftsstelle der Suchtkooperation NRW ist die Herausgeberin der Monitoringberichte, das Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung Hamburg führt das regelmäßige Monitoring seit einigen Jahren durch.