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Migration und Glücksspielsucht

Menschen mit Migrationshintergrund sind – gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil – in Deutschland deutlich überproportional häufig von Glücksspielproblemen betroffen (BZgA 2020). Dies gilt insbesondere für Menschen mit türkischen Wurzeln. Da Personen mit türkischen oder arabischen Wurzeln eine besonders große Gruppe hierzulande darstellen und zu ihnen relativ viele Erkenntnisse im Zusammenhang mit Glücksspielsucht vorliegen, konzentriert sich die folgende Darstellung auf diese Communitys.

Vorbemerkung

Glücksspiel ist im Islam zwar verboten, jedoch in türkischen und arabischen Gesellschaften weit verbreitet.

Warum sind Menschen mit Migrationshintergrund besonders gefährdet, Glücksspielprobleme zu entwickeln?

Die Zusammenhänge zwischen Migration und Glücksspielproblemen sind vielfältig und komplex. Hier nur einige Aspekte:
Der Akt der Migration ist mit Entwurzelung verbunden, mit dem Verlust von Freunden, Freundinnen und Familie, mit Einsamkeit und Fremdheit in der neuen Umgebung. Hier bietet das Glücksspielen eine Ablenkung von Sorgen und Problemen.
Besonders gefährdet sind Flüchtlinge, denn sie sind zusätzlich zu den genannten Faktoren auch sehr häufig traumatisiert. Und Traumata stellen ein erhebliches Risiko für die Entwicklung von Glücksspielproblemen dar.
Als weiterer Risikofaktor kommt hinzu, dass es in der Türkei keine Geldspielgeräte gibt. Daher herrscht oft eine gewisse Unkenntnis über die Gefahren, die mit diesem Angebot verbunden sind.

Welcher Hindernisse bestehen gegenüber der Inanspruchnahme von Hilfe?

Muslimisch geprägte türkische oder arabische Kulturen sind stark kollektivistisch orientiert. Dabei ist das Ansehen der Familie sehr wichtig. Über eine lange Zeit wird versucht, Glücksspielprobleme innerhalb der Familie zu lösen, und erst spät – wenn überhaupt – wird professionelle Hilfe in Anspruch genommen.
Darüber hinaus wird Glücksspielsucht in den Familien oft unterschätzt und als Charakterschwäche gesehen. Die meisten Familienmitglieder wissen nicht, dass es sich dabei um eine behandlungsbedürftige Krankheit handelt.
Daneben besteht häufig eine Sprachbarriere. Zusätzlich können kulturelle Unterschiede (z.B. Bedeutung von Familie, Krankheitsvorstellungen, Geschlechterrollen) dazu beitragen, dass Hilfe eher nicht in Anspruch genommen wird, weil Betroffene befürchten, Beratende/Behandelnde könnten andere kulturelle Erwartungen an sie stellen.
Weitere Hindernisse bestehen oftmals in der Unkenntnis des deutschen Hilfesystems sowie einem Misstrauen gegenüber Hilfeeinrichtungen, da diese in den Herkunftsländern häufig nicht unabhängig von staatlichen Behörden sind.

Einige Aspekte für die Beratung/Behandlung von Menschen aus muslimisch geprägten Kulturen

In muslimisch geprägten türkischen und arabischen Kulturen herrscht ein ganzheitliches Krankheits- und Gesundheitsverständnis. Gesundheit bedeutet Gleichgewicht von Körper, Seele und Sozialem. Zudem dominiert ein eher externalisierendes Krankheitsbild – das heißt, die Ursache wird im Außen gesucht –, wobei auch Volks- oder Aberglaube oft eine wichtige Rolle spielen: Nicht selten werden Flüche oder „der Spielteufel“, der über einen gekommen ist, für das eigene Glücksspielverhalten verantwortlich gemacht. Diese Krankheitsvorstellung muss in der Behandlung berücksichtigt werden.

Beratung und Hilfe

Das Hilfetelefon Glücksspielsucht und die Onlineberatung ausgezockt sind niedrigschwellige Hilfen in deutscher und türkischer Sprache. Beide Angebote stehen Ratsuchenden kostenfrei und anonym zur Verfügung.  Neben der Beratung werden auf Wunsch auch Kontakte zu Beratungsstellen, Fachkliniken und Selbsthilfegruppen vor Ort vermittelt:

Hilfetelefon Glücksspielsucht
kostenfrei und anonym
0800 077 66 11 (in deutscher Sprache)
0800 326 47 62 (in türkischer Sprache)

Onlineberatung Glücksspielsucht
kostenfrei und anonym
in deutscher und türkischer Sprache
www.ausgezockt.de

Weitere Informationen: www.gluecksspielsucht-nrw.de

 

 

Quellen

BZgA (2020). Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland 2019. Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends. Köln.